Sommer auf dem Land

Es ist heiß in diesem Sommer, überall. Auch bei Schwiegermutter auf dem Dorf wabert die Hitze durch die Straßen, legt sich auf die Felder wie eine dicke, schwere Decke. Man kann ihr nur entkommen im Bauernhaus mit seinen alten Lehmmauern. Das Licht ist anders dieser Tage, hell und grell – es sticht in die Augen. Alle warten auf Regen: Die durstigen Pflanzen, die erschöpften Menschen und sogar die Bienen haben keine Lust mehr zum herum summen. Und abends am Horizont braut sich endlich ein Gewitter zusammen. Ein schöner Landregen wäre besser, aber wir sind anspruchslos geworden. Ein heißer Sommertag auf dem Land neigt sich dem Ende. Ich fühle mich wie damals als Kind, noch einmal barfuß und unbeschwert durch den Garten laufen, halbgrüne Tomaten naschen und von den ersten Pflaumen kosten. Meine ganz persönliche Reise in die Kindheit.

Der Sommer folgt. Es wachsen Tag und Hitze, 
und von den Auen dränget uns die Glut; 
doch dort am Wasserfall, am Felsensitze
erquickt ein Trunk, erfrischt ein Wort das Blut.

Der Donner rollt, schon kreuzen sich die Blitze, 
die Höhle wölbt sich auf zur sichern Hut,
dem Tosen nach kracht schnell ein knatternd Schmettern; 
doch Liebe lächelt unter Sturm und Wettern.

Sommer
Johann Wolfgang von Goethe
1749 bis 1832
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