Beirut

Das Jahr ist nun fast wieder vorbei. Und damit ist die Zeit gekommen, um kurz inne zu halten und dem alten Jahr Lebewohl zu sagen. 2019 war „reisetechnisch“ sehr intensiv. Neben Südamerika im Frühjahr, war die Reise in den Libanon eine der tollsten Erfahrungen, die ich machen durfte.
Beirut Im Oktober ging es für eine Woche auf Bildungsreise mit dem LIW nach Beirut. In einigen Bundesländern kann man diese Reise als Bildungsurlaub beim Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen einreichen. Nachfragen lohnt sich also.Auch nach 30 Jahre sieht man die Spuren des Bürgerkrieges an vielen Stellen in Beirut. Das kleine Land hat mit gesellschaftlichen und sozialen Spannungen zu kämpfen. Durch den Bürgerkrieg in Syrien und die Aufnahme vieler Flüchtlinge wurden diese noch verschärft.Dank der vielen persönlichen Beziehungen unserer tollen Seminarleiter Christoph und Jan kamen wir ins Gespräch mit Menschen, die sich im sozialen und politischen Leben Beiruts mit Herzblut engagieren. Ich lernte mehr über die Müllkrise im Libanon, das öffentlicher Raum (noch) nicht für alle Bewohner öffentlich ist und welchen Einfluss der religiöse Proporz auf die Entwicklung der libanesischen gesellschaftlichen Klassen hat. Ich sah die Armut in den Flüchtlingssiedlungen und im Kontrast dazu die Luxusbauten im Stadtzentrum. Ich erlebte hautnah, wie die Menschen begannen, friedlich in den Straßen Beiruts gegen die politische Elite demonstrierten. Auslöser war die Ankündigung der libanesischen Regierung eine Steuer auf WhatsApp einzuführen. Doch das brachte das Fass nur zum überlaufen. Spannungen und Unzufriedenheit gab es bereits vorher in der Bevölkerung. Vor allem die jungen Leute haben auf Grund von Misswirtschaft, Korruption und dem religiösen Korsett keinerlei Perspektiven.Trotz aller Schwierigkeiten sind die Libanesen aufgeschlossen, kontakt- und sehr gastfreundlich. Ich durfte eine Stadt im Aufbruch kennenlernen und Menschen, die mit wenigen Mitteln ihr Leben gestalten.Ich wünsche den Menschen im Libanon viel Kraft und eine friedliche Lösung des Konflikts. Die Reise wurde durch das Lohmarer Institut für Weiterbildung e.V. (LIW) organisiert.  Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir. Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Streetfototour in Jerusalem

Die Stadt der Juden, Moslems und Christen ist ein wilder Mix aus Geschichte, alten Steinen und Bauhausmoderne. Ich bin zwar oft in Israel, bisher hatte es mich nur vor vielen Jahren im Rahmen einer Rundreise nach Jerusalem verschlagen. Wir hatten damals einen Abend und einen halben Tag Zeit, unter Anleitung eines Touristenführers die Hotspots der Stadt kennenzulernen. Hängengeblieben sind bei mir aus dieser Zeit ein wunderbares Abendessen, die Via Dolorosa (eher beklemmend) und die Klagemauer. Okay, so richtig warm geworden, war ich mit der Stadt zu diesem Zeitpunkt nicht. Dann kam im Frühling diesen Jahres die Gelegenheit, an eine Dienstreise zwei Tage dranzuhängen.  Ich entschloß mich, die Zeit für eine Fototour mit einem erfahrenen Fotografen in Jerusalem zu nutzen.Simon, ein israelischer Fotograf und Guide nahm mich unter seine Fittiche. Wir hatten uns im Vorfeld per Mail über meine Fotokenntnisse und Erwartungen ausgetauscht sowie Treffpunkt und Zeit vereinbart. Es war Shabbat-Freitag, Ramadan und das letzte Freitagsgebet in der Al-Aksa-Moschee stand bevor. Am Shabbat sollte man es tunlichst vermeiden, Juden zu fotografieren. Die jüdischen Regeln besagen, dass durch Video- und Fotoaufnahmen Neues entsteht und das ist in dieser Zeit nicht erlaubt. Außerdem war es extrem heiß und bereits in den Morgenstunden kam es zu einem blutigen Zwischenfall am Damaskustor. Ich war etwas aufgeregt. Wie sollte ich die Stimmung unter den über 260.000 muslimischen Pilgern, anderen Besuchern und Einwohnern einschätzen? Doch Simon nahm mir sofort durch seine offene, kommunikative Art die Unsicherheit.
Wir waren hauptsächlich im arabischen und christlichen Viertel der Altstadt unterwegs. An Jerusalems neuralgischen Punkten wie den Toren zur Altstadt und den Knotenpunkten zwischen den unterschiedlichen Vierteln waren israelische Sicherheitskräfte postiert – bis an die Zähne bewaffnet. Überall Gewusel und Gedränge. Man hätte denken können, dass die Nerven der Leute blank liegen. Doch es lag eher eine ruhige, gelassene Geschäftigkeit in der Luft. Das hat mich total überrascht. Simon Beni ist ein großartiger Geschichtenerzähler, Entertainer und Fotograf. Neben seinen unglaublichen Ortskenntnissen, kennt er gefühlt Jeden in der Stadt und hat auch keine Scheu fremde Menschen (unabhängig von Herkunft und Religion) anzusprechen. Das macht er mit viel Sympathie und Herzlichkeit, so dass die Meisten sich gerne fotografieren lassen. Ich habe ja eher so meine Probleme, die Kamera fremden Menschen ungefragt  ins Gesicht zu halten. Simon hat bei seinen Fototouren eine gute Taktik drauf: Erst fotografieren, dann wenn nötig freundlich lächeln und die Person ansprechen. wenn das nicht hilft, Füße in die Hand… Hier findet Ihr mehr zu Simon und seinen Touren Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir. Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Jaworskyj ist schuld…

Seitdem ich einen Beitrag von Ben Jaworskyj über die Burg Eltz sah, steht dieser Hot Spot aller Fotografen auf meiner persönlichen Bucket-Liste. Von Köln aus sind es ungefähr anderthalb bis zwei Stunden mit dem Auto bis ins Tal der Eltz in Rheinland-Pfalz. Ich bin sehr spontan, trotzdem liebe ich es auch organisiert (bin halt eine Eule…), ich stehe nur nicht so gerne früh auf – heißt vor fünf Uhr. An den Wochenenden und Feiertagen wird die Burg von Touristen überrannt, das heißt, man muss verdammt früh aufstehen, um die alten Gemäuer menschenleer abzulichten und den Sonnenaufgang und das „gute“ Licht am Morgen zu nutzen. Tatsächlich konnte ich mich dann doch mal einen Sonntagmorgen im August aufraffen. Am Samstag davor hatte ich mir alles bereit gelegt, so dass morgens nur noch anziehen, Kaffee kochen und Stullen schmieren an stand. Gemeinsam mit dem besten aller Ehemänner ging es gegen 6 Uhr dann auf nach Rheinland-Pfalz. Das Wetter war an diesem Tag nicht ganz optimal, aber diese Burg ist einfach unglaublich! Vom Parkplatz fährt ab ca. 10 Uhr ein Shuttlebus (kostet Geld), mit dem man sich den steilen An- bzw. Abstieg sparen kann. Bis zur Burg sind es aber nur 900 m. Schöner ist der Wanderweg (ca. 1,5 km), der am Anfang des Parkplatzes beginnt. Diesen kann ich nur empfehlen.Wir waren ca. 8 Uhr vor Ort. Das ist eigentlich für einen engagierten Landschaftsfotografen zu spät. Ich hatte jedoch noch Zeit, in Ruhe Fotos zu machen. Innerhalb der Burgmauern gibt es einen Burg-Shop und eine Gaststätte. Wer in die Burg möchte, muss wiederum Eintritt bezahlen. Wir kommen auf alle Fälle noch mal nach Wieschem und werden dann zwei Tage (mit Übernachtung) einplanen und längere Wanderungen unternehmen. Denn auch rund um die Burg gibt es viel zu entdecken. Adresse:Kastellanei Burg EltzBurg Eltz 156294 Wierschem Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir.
Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Sommer auf dem Land

Es ist heiß in diesem Sommer, überall. Auch bei Schwiegermutter auf dem Dorf wabert die Hitze durch die Straßen, legt sich auf die Felder wie eine dicke, schwere Decke. Man kann ihr nur entkommen im Bauernhaus mit seinen alten Lehmmauern. Das Licht ist anders dieser Tage, hell und grell – es sticht in die Augen. Alle warten auf Regen: Die durstigen Pflanzen, die erschöpften Menschen und sogar die Bienen haben keine Lust mehr zum herum summen. Und abends am Horizont braut sich endlich ein Gewitter zusammen. Ein schöner Landregen wäre besser, aber wir sind anspruchslos geworden. Ein heißer Sommertag auf dem Land neigt sich dem Ende. Ich fühle mich wie damals als Kind, noch einmal barfuß und unbeschwert durch den Garten laufen, halbgrüne Tomaten naschen und von den ersten Pflaumen kosten. Meine ganz persönliche Reise in die Kindheit. Der Sommer folgt. Es wachsen Tag und Hitze, und von den Auen dränget uns die Glut; doch dort am Wasserfall, am Felsensitzeerquickt ein Trunk, erfrischt ein Wort das Blut.Der Donner rollt, schon kreuzen sich die Blitze, die Höhle wölbt sich auf zur sichern Hut,dem Tosen nach kracht schnell ein knatternd Schmettern; doch Liebe lächelt unter Sturm und Wettern. Sommer Johann Wolfgang von Goethe 1749 bis 1832 Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir.
Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Altes Wasserwerk Friedrichshagen

Im Südosten Berlins, direkt am Müggelsee liegt das alte Wasserkraftwerk, welches 1893 als drittes Werk nach Starlauer Hof und Tegel an den Start ging. Erster Ingenieur und auch erster Direktor war Henry Gill, ein englischer Ingenieur. 1900 war es eines der modernsten und innovativsten Wasserkraftwerke in ganz Europa. Zunächst wurde das Wasser aus dem nahen Müggelsee gewonnen und aufbereitet. Doch das genügte mit der wachsenden Bevölkerung und fortschreitenden Industrialisierung Berlins nicht mehr, so dass Anfang des 20. Jahrhunderts das Werk zusätzlich auch auf die Gewinnung von Grundwasser ausgebaut wurde. Letztendlich betrug die Kapazität 320.000 Kubikmeter Mischwasser pro Tag.1979 und 1983 wurden in Friedrichshagen zwei neue Wasserkraftwerke gebaut und die alte Anlage wurde nach 98 Jahren dann letztendlich 1991 geschlossen. Heute beherbergt eines der Schöpfmaschinenhäuser das „Museum im Alten Wasserwerk“.Das Rote Rathaus lässt grüßenDie Gebäude auf dem 55 Hektar großen Areal sind mit roten Backsteinen verkleidet und erinnern an das Rote Rathaus am Berliner Alexanderplatz. Das Museum ist absolut empfehlenswert, nicht nur für Technikfreaks, sondern auch für Naturliebhaber und Geschichtsbegeisterte.Bis 2018 betrieb der Verein Berliner Unterwelten e.V. das Museum und man konnte die ständige Ausstellung sowie das Gelände auch ohne Führung besuchen. Ende 2018 wurde der Vertrag mit dem Verein gekündigt und die Organisation von den Berliner Wasserbetrieben übernommen. Seitdem sind die Besuchszeiten eingeschränkt und man kann nur über eine organisierte, allerdings kostenfreie, Tour rein.  Blick in die Maschinenhalle des Alten WasserkraftwerkesExponat im alten WasserkraftwerkExponat (Arbeiter) in der Maschinenhalle des Alten Wasserwerks FriedrichshagenArmatur in der Maschinenhalle des Alten Wasserwerkes FriedrichshagenMaschinenhalle im Museum des Alten Wasserwerk FriedrichshagenBlick vom Seeufer auf das alte Wasserkraftwerk in FriedrichshagenGebäude mit Gartenbank des Alten Wasserwerkes Friedrichshagen  Friedrichshagen ist immer einen Ausflug wertDas alte Friedrichshagener Wasserwerk liegt direkt am Müggelsee und auch die Außenanlagen sind absolut sehenswert. Ich war an einem sonnigen Samstagvormittag dort und in zwei Stunden die einzige Besucherin. Wer noch mehr Zeit mitbringt, kann zu Fuß oder mit dem Fahrrad den Müggelsee umrunden. Bis Rahnsdorf nehmen die weniger Sportlichen die Straßenbahn . Auf der gegenüberliegenden Seeseite liegen die Müggelberge mit dem gerade wiedereröffneten Müggelturm sowie dem Teufelssee, ebenfalls sehr beliebte Ausflugsziele.Wen es trotz der schönen Umgebung schnell wieder nach Hause zieht, dem empfehle ich den Rückweg vom Alten Wasserwerk zum S-Bahnhof Friedrichshagen über die Bölschestraße. Im 18. Jahrhundert war sie gesäumt mit Maulbeerbäumen. Warum? Das ist eine andere Geschichte. Vier dieser Bäume stehen noch. Wer sie findet, kann sich ja mal melden.  Adresse: Müggelseedamm 30712587 Berlin/Friedrichshagen
https://www.bwb.de/de/fuehrungen.php Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir. Grit Lezovic Fotografin Continue Reading
Fischer auf dem Fischmarkt in Yangon

Der Fischmarkt von Yangon

Was soll ich hier?Es ist kalt, schmutzig und Fischgeruch liegt in der Luft. Im Dunkeln stehe ich irritiert an der Straßenkreuzung irgendwo in Yangon herum und bin mir nicht mehr sicher, was ich hier soll. Win, unser Tour Operator, hatte uns zu viel zu früher Stunde aus dem Bett beordert und gemeint, wir würden einen unglaublich spannenden Ort besuchen, den Fischmarkt von Yangon in Myanmar. Da bin ich also an diesem unglaublichen Ort, dem Mekka der Streetfotografen, die Kamera an meine Brust gedrückt und irritiert ob der um mich strömenden Menschenmassen.Zuerst sieht alles so chaotisch und hektisch aus – die Menschen rennen herum, rufen sich laut unverständliche Worte zu. Doch je tiefer ich ins Getümmel Richtung Fluss eintauche, desto mehr ergibt alles einen Sinn. Wie ein perfekt organisierter Ameisenhaufen hat hier Jeder seine Aufgabe. Sobald die Fischerboote am Flussufer anlanden, werden sie von Hand entladen. Starke Jungs, manchmal viel zu jung für die harte Arbeit, schleppen die frisch gefangenen Fische in großen fahrbaren Stiegen vom Fluß zu den Lägern, wo sie dann an die Wiederverkäufer übergeben werden.Die Frauen bieten am Straßenrand einen Teil des Fisches in Körben potentiellen Käufern an. Für die hungrigen Arbeitenden gibt es an fahrbaren Ständen warme Speisen und Getränke sowie die beliebten Betelnüsse zu kaufen. Der Fischmarkt ein unglaubliches ErlebnisZuerst ist es für mich befremdlich, diese Menschen durch mein Fotografieren bei der Arbeit zu stören. Als Fremde falle ich sofort auf, werde aber stets freundlich angelächelt. Ich stehe zu Beginn ganz oft im Weg herum und muss zur Seite springen. Doch nach einiger Zeit finde ich einen Zugang und kann trotz meiner blonden Haare und der hellen Haut in der Masse „verschwinden“. Dieser Besuch auf dem Fischmarkt von Yangon ist ein einmaliges Erlebnis.  Und von dem hatte ich auch noch einige Zeit danach etwas  – zumindest so lange, bis die Hose und die Socken gewaschen waren. Adresse:San Pya Wholesale Fishmarket What should I do here?It’s cold, dirty and fishy smell is in the air. In the dark, I’m confused stand around at the crossroad somewhere in Yangon and I’m not sure what to do here. Win, our tour operator, had called us out of bed too early in the morning and said we were visiting an incredibly exciting place, the Yangon Fish Market in Myanmar.So I am here in this incredible place, the Mecca of the street photographers, the camera pressed against my chest and irritated by the masses of people around me. At first everything looks so chaotic and hectic – the people are running around, shouting incomprehensible words. But when I deeper enter the ray in direction of the river, the more everything makes sense. Everyone has a role here, like a perfectly organized anthill:As soon as the fishing boats land on the riverbank, they are unloaded by hand. Strong guys, sometimes far too young for the hard work, drag the freshly caught fish in big mobile stairs from the river to the warehouses, where they are handed over to the resellers. At the roadside, women offer some of the fish in baskets to potential buyers. For the hungry workers there are on mobile kiosks hot food and drinks and the popular betel nuts to buy.The fish market an incredible experienceFirst of all, I find it strange to disturb these people at work by photographing. As a stranger, I immediately notice, but the people always smile friendly. At the beginning I often get in the way and have to jump sideways. But after some time I find an access and can „disappear“ despite my blond hair and the fair skin in the mass. This visit to Yangon Fish Market is a unique experience for me. And I had something of the visit for a while afterwards – at least until the pants and socks were washed. Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir.
Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Tschernobyl – Reise zu den Geistern

Damals…Im April 1986 – ich 17 Jahre alt und im ersten Ausbildungsjahr an einer Berufsschule mit Internat im Osten von Berlin. Wir hörten heimlich auf den Zimmern West-Radio. Der RIAS war problemlos zu empfangen und hatte die bessere Musik. Daher lief das Radio am Sonntagabend. In den Nachrichten brachten sie eine Mitteilung über einen Reaktorunfall in der Sowjetunion. Wir diskutierten an diesem Abend lange über die Situation und wussten, dass dieser Unfall auch Einfluss auf unser jetziges und zukünftiges Leben haben wird. Von den DDR-Medien war zu dieser Zeit nichts darüber zu hören. Es wurde totgeschwiegen.Nächster Montagmorgen – erste Stunde Sport. Unser Lehrer, ein ehemaliger NVA-Offizier, verordnete 5 km Waldlauf unter dem Motto: „Nicht dass ihr denkt, ich schere mich um die aktuelle Lage. Frische Luft ist gesund!“ Mehr wurde darüber nicht gesprochen und das Thema generell unter den Tisch gekehrt. Ich weiß nicht, ob diese Sportstunde einen Einfluss auf meine Gesundheit hatte. Ich habe noch viele Jahre danach Joggen mit diesem Ereignis verknüpft und es gehasst.Bei uns war die Welt also auch danach noch in Ordnung. In Westberlin und der BRD nicht. Plötzlich gab es Unmengen an frischem Gemüse: Grüner Salat und Gurken – im Frühjahr! Jeder wusste, dass in Westdeutschland Niemand das (offensichtlich) verstrahlte Gemüse und Obst anrührte. Wir auch nicht. Es war eine Zeit der Gerüchte und Vermutungen und wir hatten Angst. Was würde die Zukunft bringen?Die DDR war bis 1989 in permanenten Kriegszustand. Das erfuhr ich allerdings erst nach der Wende. Mit 14 lernten wir, wie ein sicherer Unterschlupf für den Katastrophenfall zu bauen ist. Mit 16 robbten wir mit Gasmasken durch die Natur – eine Kombination aus Survivals- und Pfadfindertraining. Mit dem kalten Krieg lernten wir umzugehen. Eine Katastrophe durch die „guten“ Atome – das war nicht vorgesehen. Das Unglück von Tschernobyl wurde zur größten technologischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts.Heute…31 Jahre später mache ich mich mit 11 anderen Unerschrockenen auf den Weg nach Tschernobyl. Das Gebiet ist in zwei Zonen eingeteilt. In der 30 km Zone leben noch ca. 2000 Menschen, die hauptsächlich im Kraftwerk arbeiten. Hier ist auch das einzige Hostel zu finden, in dem wir zwei Nächte verbringen. In der 10 km Zone liegt die heutige Geisterstadt Pripyat, ca. 4 km entfernt vom Reaktor 4. Vor der Katastrophe muss Pripiyat eine sehr lebenswerte Stadt für ihre 50.000 Einwohner gewesen sein: Ein nie fertig gestelltes Stadion, eine Schiffsanlegestelle, Kino, Kulturhaus, Schwimmbad, Rummelplatz sowie zahlreiche Sporthallen, die Einwohner hatten viele Möglichkeiten. Heute sehen noch viele Häuser aus wie am Tag der Evakuierung, trotz Plünderungen und Vandalismus. Heute ist die radioaktive Strahlung direkt am Reaktor in einem akzeptablen Bereich Im Krankenhaus stehen die Babybetten in Reihe als wäre nichts passiert. Wir wandern über kaum erkennbare Straßen und Wege. Die Natur hat sich Raum zurückerobert. Die einstige Hauptstraße ist mit Bäumen und Sträuchern zu gewuchert und nicht mehr erkennbar. Wenn man mit den Füßen das Laub und den Humus wegschiebt, kommt der Beton zum Vorschein. Es ist still, sehr still. Nur vereinzelt hört man ein Zwitschern. Wo sind die Vögel? Bienen und Wespen sucht man ebenfalls vergebens. Das leise Ticken des Messgerätes am Hosenbund wird nur ab und zu unterbrochen von einem hektischen Fiepen, wenn die radioaktive Strahlung über dem Grenzwert liegt. Hier kann ich mich nicht auf meine Sinne verlassen. Denn radioaktive Strahlung kann man nicht riechen, sehen oder schmecken. Ich laufe quasi blind durch die Gegend. Tiere sollen die Gefahr ja spüren, ich verlasse mich auf den Geigerzähler. Tatsächlich ist die Strahlung unregelmäßig. Es gibt sogenannte Hotspots, die schlimmsten sind mit einem Warnschild versehen. Die Hauptwege und umliegende Gebäude wurden dekontaminiert, so dass man sich gefahrenfrei bewegen konnte.
In drei Tagen, nach vielen Kilometern Weg und etlichen Stockwerken sind mir die Schicksale der Menschen in Pripyat und Umgebung näher. Ich wünschte ich könnte mich nur für einen Augenblick 35 Jahre in die Vergangenheit zurück beamen und Szenen des täglichen Lebens beobachten. Besonders stark ist dieses Gefühl im Kindergarten. Hier stehen noch die Spielzeugautos auf dem Tisch und Kinderschuhe im Schrank. Es muss ein schönes Gebäude gewesen sein – offen und hell.Abends ab 18 Uhr gehört Pripyat wieder den Geistern. Niemand darf sich über Nacht dort aufhalten. Bevor wir die 10 km Zone verlassen, werden Fahrzeug und Mensch auf Radioaktivität untersucht. Nach 3 Tagen haben wir eine errechnete Gesamt-Strahlendosis von ca. 29 Microsievert aufgenommen. Gut, dass in diesem Jahr kein Langstreckenflug mehr ansteht. Die Reise wurde organisiert von urbexplorer.com und fand im September 2017 statt. Marek & Marek – herzlichen Dank für die tolle Organisation. Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir. Grit Lezovic Fotografin Continue Reading

Alter Südlicher Friedhof in München

Ich mag alte Friedhöfe! Das hört sich jetzt vielleicht etwas schräg an, aber für Fotografen und Historiker bieten diese Ruhestätten eine Unmenge an Motiven und man lernt viel über die Geschichte des Ortes bzw. der Region.Wenn wir verreisen, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, im Vorfeld im Internet nach Gottesäckern in der Gegend zu suchen. So habe ich auch den Alten Südlichen Friedhof in München entdeckt. Wenn man nicht wirklich danach sucht, kann man den Eingang bzw. die Eingänge – wir haben vier gefunden – leicht übersehen.Er ist der älteste und war sehr lange der einzige Zentralfriedhof Münchens – und steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Der Friedhof wurde 1563 von Herzog Albrecht V. als Pestfriedhof – damals vor den Toren der Stadt – angelegt und war bis 1944 in Betrieb. Hier sind die Gräber vieler bekannter Münchner Persönlichkeiten zu finden, unter anderem auch von Carl Spitzweg. Es ist ein wundervoller, ruhiger und leicht verwilderter Friedhof, der zahlreiche Fotomotive bietet. Mir besonders im Gedächtnis geblieben, ist das Grabmal von Thaddäus Robl, einem in jungen Jahren verstorbenen Radrennfahrer. Weitere Hintergründe zur Geschichte findet Ihr unter
dieser Adresse. Adresse:Thalkirchner Straße 1780337 München Dich sprechen die Fotos und/oder Texte an und Du bist an einer Kooperation interessiert? Dann melde Dich gern bei mir. Grit Lezovic Fotografin Continue Reading